Chris Kopecky, geschäftsführender Gesellschafter von Jamestown
Inside USA: Halbjahresbilanz am US-Immobilienmarkt
Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den USA bleiben herausfordernd, gleichzeitig eröffnen sich neue Perspektiven im Immobilienmarkt. Chris Kopecky, geschäftsführender Gesellschafter von Jamestown, blickt auf das erste Halbjahr 2025 zurück. Er analysiert, weshalb Geduld zur richtigen Strategie wurde, welche Entwicklungen die Finanzierungsbedingungen prägen und in welchen Segmenten gezielte Investitionen besonders aussichtsreich erscheinen.
Der Jahresauftakt 2025 war von Zuversicht geprägt – die Voraussetzungen schienen günstig, um Kapital in neue Objekte zu investieren. Doch die politischen Signale aus Washington blieben uneinheitlich, und diese Unsicherheit bremste die Aktienmärkte spürbar aus. In einem solchen Umfeld kann der Impuls entstehen, durch schnelle Entscheidungen Bewegung zu schaffen. Aber oft ist genau das Gegenteil richtig: Ruhe bewahren.

Auch wenn es gegen den Instinkt geht, war das bewusste Abwarten im aktuellen US-Marktumfeld die konsequenteste Entscheidung. Sie entspricht unserer Verantwortung als Treuhänder gegenüber den Anlegerinnen und Anlegern. Die größere Herausforderung bestand darin, diese temporäre Zurückhaltung im US-Investmentgeschäft mit der operativen Dynamik innerhalb des Unternehmens in Einklang zu bringen. Denn nur wer vorbereitet ist, kann rasch agieren, sobald sich die Rahmenbedingungen verbessern.
Impulse im Bestand: Retail als Wachstumstreiber
Parallel zur temporären Investitionspause entwickelten sich unsere Bestandsobjekte erfreulich weiter. Sowohl in Buckhead Village als auch in Ponce City Market konnten wir neue, internationale, namhafte Mieter gewinnen – etwa AP House (Luxusuhren aus der Schweiz) und Sézane, ein Pariser Fashionlabel. Beide Standorte unterstreichen, wie wichtig eine aktive Einzelhandelsstrategie ist, die auf Qualität, Differenzierung und Markenerlebnis setzt.
Zinsen im Blick: Erleichterung auf mittlere Sicht
Während die kurzfristigen Zinsen volatil bleiben, zeigt sich bei den mittelfristigen Laufzeiten eine vorsichtige Entspannung. Die Rendite fünfjähriger US-Staatsanleihen ist von 4,6 Prozent Anfang 2025 auf aktuell 3,9 Prozent gefallen – ein deutlich positives Signal für die Finanzierung von Immobilieninvestitionen. Gleichzeitig bleibt die Inflation das entscheidende Thema: Sie beeinflusst direkt, wie stark sich Mieten anpassen lassen – eine der zentralen Stellschrauben für die Wertentwicklung unserer Objekte.
Wohnimmobilien unter Druck: Nachfrage verschiebt sich
Infolge der gestiegenen Hypothekenzinsen ist der Erwerb von Wohneigentum für viele Haushalte kaum noch realisierbar. Das hat zu einer spürbaren Verschiebung der Nachfrage geführt: Weg vom Eigentum, hin zur Miete. Besonders in den wachstumsstarken Sunbeltstaaten sind die Mieten in den vergangenen drei Jahren um über 43 Prozent gestiegen. Diese Entwicklung sorgt für Engpässe im Mietmarkt und verstärkt den politischen Druck, bezahlbare Lösungen zu schaffen.
Finanzierung wird wieder planbar
Die Zinswende ab 2022 hat nicht nur die Bewertung vieler Immobilien verändert, sondern auch den Zugang zu Finanzierungen erschwert. Banken fokussierten sich zunächst auf die Stabilisierung ihrer eigenen Kreditportfolios – viele Transaktionen wurden dadurch ausgebremst. Inzwischen hat sich das Blatt gewendet: Zahlreiche Institute kehren in den Markt zurück. Erstmals seit über drei Jahren lassen sich wieder Finanzierungen darstellen, die im Einklang mit den wirtschaftlichen Potenzialen der Immobilien stehen.
Die besten Chancen sehen wir aktuell bei gemischt genutzten Objekten in urbanen und suburbanen Lagen mit begrenztem Angebot und starker Nachfrage. Besonders attraktiv sind Standorte mit klarer Identität, wirtschaftlicher Substanz und Entwicklungspotenzial. Mit gezielten Value-Add-Strategien, kreativer Neupositionierung und Placemaking-Maßnahmen lassen sich dort Werte heben – ökonomisch, sozial und kulturell.
Auch Nischenmärkte wie Senioren- und Studentenwohnen gewinnen an Bedeutung. Demografische Entwicklungen und veränderte Ansprüche an Wohnformen schaffen hier langfristig stabile Nachfrage. Jamestown ist bislang nicht in diesen Segmenten aktiv, hat aber mit Konzepten wie Scout Living und Signal House gezeigt, dass sich innovative Wohnmodelle erfolgreich umsetzen lassen. Signal House ist ein modernes Mehrfamilienhaus mit Conciergeservice, App-gestütztem Zugang zu Dienstleistungen und großzügigen Gemeinschaftsflächen – ein Wohnkonzept, das urbanes Leben und Komfort neu denkt. Scout Living kombiniert voll ausgestattete Apartments mit hotelähnlichem Service für Kurz- und Langzeitaufenthalte. Die Kombination aus durchdachtem Design, moderaten Mieten und hoher Aufenthaltsqualität bildet die Grundlage für mögliche Expansionen in diesen Bereich.
Nachhaltigkeit als Wettbewerbsfaktor
Environmental, Social, Governance (ESG auf deutsch: Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) sind für uns keine Etiketten, sondern fester Bestandteil unseres Geschäftsmodells. Wir integrieren Umwelt- und Sozialaspekte ebenso wie gute Unternehmensführung in unsere Investitionsentscheidungen und den laufenden Betrieb. Unser Anspruch ist es, Räume zu schaffen, die sowohl wirtschaftlich als auch gesellschaftlich einen Beitrag leisten. Neue regulatorische Anforderungen und steigende Erwartungen im Markt sehen wir dabei nicht als Risiko, sondern als Chance zur Differenzierung – insbesondere durch den Einsatz datenbasierter Steuerung und messbarer Wirkung.
Die Dynamik im Markt hat sich verändert – aber sie bietet Chancen für diejenigen, die vorausschauend agieren. Wer jetzt in Analyse, Strategie und Struktur investiert, schafft die Grundlage für kommende Transaktionen. Entscheidend ist nicht Geschwindigkeit um jeden Preis, sondern die Fähigkeit, im richtigen Moment handlungsfähig zu sein. Geduld zahlt sich aus – vor allem dann, wenn sie mit klarem Fokus und konsequenter Vorbereitung verbunden ist.