Placemaking: Wie Orte zu lebendigen Anziehungspunkten werden
Wie schafft man Orte, die mehr sind als bloße Immobilien? Orte, die Menschen verbinden, inspirieren und langfristig begeistern? Eine Antwort darauf liefert das Konzept des Placemaking – ein Ansatz, der weit über klassische Stadtplanung hinausgeht.
Der Begriff „Placemaking“ ist vor allem im englischsprachigen Raum geläufig. In Deutschland ist er bislang überwiegend Fachleuten aus der Stadtentwicklung und Immobilienbranche ein Begriff. Eine direkte Übersetzung gibt es nicht – wohl aber eine klare Idee: Placemaking beschreibt das bewusste Gestalten von Orten, die sich nicht nur funktional in ihre Umgebung einfügen, sondern diese bereichern und neu beleben. Orte, die Gemeinschaft fördern, Aufenthaltsqualität schaffen und Menschen immer wieder zurückkehren lassen. Im Zentrum steht dabei der Mensch – mit seinen Bedürfnissen, seiner Kultur und seinem Wunsch nach Teilhabe.
Wurzeln in der Stadtsoziologie
Seinen Ursprung hat Placemaking in der Stadtsoziologie der 1960er-Jahre. Jane Jacobs und William H. Whyte prägten die Debatte: Jacobs plädierte für durchmischte Quartiere mit sozialen Strukturen, Whyte erforschte das Verhalten von Menschen im öffentlichen Raum. Die Idee setzte sich ab den 1970er-Jahren in der Praxis durch – zunächst bei Parks und Plätzen, später auch bei Quartiersentwicklungen. Es ging nicht mehr nur um Nutzung, sondern um Lebensqualität. Gleichzeitig gewann das Thema Partizipation an Bedeutung.
In der sogenannten „Experience Economy“ (Erlebniswirtschaft) rückte zunehmend die emotionale Komponente in den Fokus. Orte sollten nicht nur funktionieren, sondern etwas auslösen: Geschichten erzählen, berühren, überraschen. Damit wandelte sich auch die Rolle der Akteure. Längst treiben Städte und Kommunen, aber auch private Projektentwickler Placemakingprozesse voran. Ihr Ziel: Immobilienwerte steigern und gleichzeitig nachhaltige Stadträume schaffen.
Heute ist Placemaking aktueller denn je. Der gesellschaftliche Wandel, neue Lebensstile und die Digitalisierung verändern die Anforderungen an urbane Räume grundlegend. Nachhaltigkeit – ökologisch wie sozial – spielt eine zentrale Rolle. Orte müssen ressourcenschonend, zugänglich und vielfältig nutzbar sein. Digitale Technologien unterstützen dabei, Angebote auf individuelle Bedürfnisse abzustimmen – von Apps zur Quartiersnutzung bis zu smarten Gebäudefunktionen.
Ponce City Market – ein Ort mit Ausstrahlung
Wie das konkret aussehen kann, zeigt ein Vorzeigeprojekt aus den USA: Ponce City Market in Atlanta. Jamestown übernahm 2011 das ehemalige Warenhaus von Sears & Roebuck – ein riesiges leer stehendes Industriegebäude mitten in einem vernachlässigten Viertel. Die Vision: ein lebendiger Ort, der weit mehr bietet als reine Nutzflächen. Neben der Erhaltung der historischen Bausubstanz standen von Anfang an soziale und ökologische Aspekte im Vordergrund.
Ein Vorher-Nachher-Bild von Ponce City Market.
Ein zentraler Erfolgsfaktor war die Vielfalt des Mietermix‘. Statt sich ausschließlich auf große Ketten zu fokussieren, setzt Jamestown auf regionale Konzepte – von kleinen Manufakturen über Food-Start-ups bis hin zu kulturellen Angeboten. So entstand ein Ort mit eigenem Charakter, fernab vom Einheitslook klassischer Einkaufszentren. Auch die Flächennutzung wurde neu gedacht: Das einst ungenutzte Dach ist heute ein öffentlich zugänglicher Freizeitbereich mit Restaurants, Spielbereichen und Raum für Veranstaltungen. Zusätzlich wurde das Gelände durch neue Wohn- und Arbeitsflächen ergänzt.
Mit Angeboten wie Concierge-Services, buchbaren App-Dienstleistungen und Gemeinschaftsflächen greift Jamestown auch digitale Trends und neue Wohnformen auf. Gleichzeitig steht Nachhaltigkeit im Fokus – sei es durch LEED-Zertifizierungen, den Einsatz innovativer Baumaterialien wie Holz oder die Aufwertung des gesamten Stadtviertels.
Placemaking bedeutet, Immobilien nicht isoliert zu betrachten, sondern als Teil eines größeren Ganzen. Es geht darum, Orte mit Charakter zu schaffen – für die Menschen, die dort leben, arbeiten und/oder ihre Freizeit verbringen. Ponce City Market zeigt eindrucksvoll, wie aus einem leer stehenden Gebäude ein identitätsstiftender Anziehungspunkt werden kann.
So wird deutlich: Placemaking ist mehr als eine Methode – es ist eine Haltung. Wer sie ernst nimmt, gestaltet nicht nur Räume, sondern Zukunft.