Carrie Denning Jackson, Direktorin für Innovation und Nachhaltigkeit bei Jamestown
„Technologie muss echten Mehrwert schaffen“
Carrie Denning Jackson ist Leiterin für Innovation und Nachhaltigkeit bei Jamestown. Im Interview erzählt sie, wie sie schon bei ihrem vorherigen Arbeitgeber Googles Sidewalk Labs auf Jamestown als Vorreiter im Placemaking aufmerksam wurde, warum historische Gebäude die größte Herausforderung für nachhaltige Transformation sind und welche Rolle künstliche Intelligenz (KI) für die Zukunft der Immobilienbranche spielt.
Sie haben bei Sidewalk Labs, Googles Urban-Innovation-Tochter, gearbeitet. Was führte Sie in die Immobilienbranche und ganz speziell zu Jamestown?
Bei Sidewalk Labs entwarfen wir Konzepte für die Stadt der Zukunft und stießen dabei immer wieder auf Jamestown. Das Unternehmen galt in Fachkreisen als Maßstab für gelungenes Placemaking, Community-Building (Gemeinschaftsbildung) und innovative Erdgeschossnutzungen. Ich habe viel über Jamestown gelesen, die Projekte analysiert und das Unternehmen oft als Referenz herangezogen, lange bevor ich es persönlich kannte. Als ich Sidewalk verließ, sah ich zufällig eine Stellenausschreibung auf LinkedIn – genau in dem Bereich, der mich reizte: Innovationen aus Pilotprojekten in die Breite zu tragen. Es war eine glückliche Fügung, aber auch eine bewusste Entscheidung, zu Jamestown zu wechseln.
Was hat Ihr Interesse an Innovation und Nachhaltigkeit geprägt?
Mich faszinierte schon während des Studiums die Frage, wie digitale Technologien unsere physischen Räume verändern. Zwischen 2004 und 2008 wurde viel darüber geschrieben, ob das Internet das Ende der Städte bedeutet. Schließlich könnten wir alle von zu Hause arbeiten. Ich habe damals meine Abschlussarbeit über die New Yorker Börse geschrieben und die Frage, ob man in Zeiten des elektronischen Handels überhaupt noch ein physisches Börsenparkett braucht. Die Antwort war: ja, unbedingt. Weil Orte mehr sind als Funktion, sie sind Symbole, Treffpunkte, Identität. Das gilt bis heute, wie wir spätestens während der Pandemie gesehen haben.
Dieses Spannungsfeld zwischen virtueller und physischer Welt hat mich geprägt. Später, mit dem Aufkommen von Smartphones, Apps und Plattformen, war es spannend zu sehen, wie schnell Innovation unseren Alltag verändert. Nachhaltigkeit ist die logische Ergänzung: Wer Innovation in Städten denkt, muss Verantwortung für Umwelt und Ressourcen übernehmen.
Jamestown hat bereits 2008 mit seinem Nachhaltigkeitsprogramm begonnen. Welche Meilensteine stechen hier besonders hervor?
Allein die Gründung eines Teams für Nachhaltigkeit zur damaligen Zeit war ein mutiger Schritt. 2013 erhielten wir unser erstes LEED-Gold-Zertifikat in San Francisco, kurz darauf unterzeichneten wir die UN-Prinzipien für verantwortungsvolle Investments (UN PRI). (Anmerkung der Redaktion: LEED steht für Leadership in Energy and Environmental Design und ist ein international anerkanntes Zertifizierungssystem für nachhaltiges Bauen.)
In Rotterdam haben wir im Jahr 2023 mit dem Groot Handelsgebouw erstmals ein Nationaldenkmal der Niederlande auf BREEAM-Excellent-Niveau gebracht. BREEAM ist ein Bewertungssystem für ökologische und soziokulturelle Aspekte der Nachhaltigkeit von Gebäuden. Dieses Projekt zeigt eindrucksvoll, wie anspruchsvoll nachhaltige Revitalisierung ist: Einen historischen Bestand auf ein solches Niveau zu bringen, erfordert weit mehr als bei einem Neubau, bei dem Nachhaltigkeit von Beginn an eingeplant werden kann.
Unser Holzbauprojekt 619 Ponce in Atlanta war ebenfalls ein wichtiger Schritt. Wir haben dafür Holz aus unseren eigenen Forsten im Südosten der USA verwendet. Das ist ein Beispiel, wie Jamestown Innovation und Nachhaltigkeit verbindet und die Branche voranbringt.
Die aktuellen ESG-Ziele (Environmental, Social and Governance, auf Deutsch Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) setzen klare Schwerpunkte auf CO₂, Wasser und Abfall. Warum gerade diese drei?
Der Gebäudesektor verursacht 38 Prozent der globalen CO₂-Emissionen, 28 Prozent im Betrieb, weitere 10 Prozent beim Bau. Deshalb ist CO₂-Reduktion unser oberstes Ziel. Hinzu kommen Wasser als knappe Ressource, etwa in Kalifornien, und das Thema Abfall. Die Bauwirtschaft produziert enorme Mengen davon. Wir wollen stärker in Richtung Kreislaufwirtschaft gehen und mit Materialien arbeiten, die sich regenerativ oder biologisch abbauen lassen.
Welche Rolle spielt Innovation – insbesondere KI – in Ihrem Alltag?
Wir nutzen KI in den USA bereits vielfach, etwa bei Parksystemen mit automatischer Nummernschilderkennung oder zur energieeffizienten Steuerung von Gebäuden. Besonders stolz sind wir auf „ChatJT“ – wobei JT natürlich für Jamestown steht – unser eigenes generatives KI-Tool in einer sicheren Microsoftumgebung. Es wird intensiv genutzt, und wir integrieren zusätzlich maßgeschneiderte Anwendungen wie die automatische Auswertung von Mietverträgen. Entscheidend ist für uns, dass neue Technologien echte Produktivität schaffen, nicht nur zusätzlichen Output.
Das Groot Handelsgebouw wurde 1953 erbaut und gilt als architektonisches Wahrzeichen des Rotterdamer Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg
Zum Abschluss: Haben Sie ein Lieblingsgebäude von Jamestown?
Ja, das bereits erwähnte Groot Handelsgebouw in Rotterdam. Ein historisches Wahrzeichen, das wir durch mutige Umgestaltung belebt haben, etwa indem wir eine frühere Parkplatzfläche in einen öffentlichen Park mit mehr als 500 Pflanzenarten verwandelten. Besonders charmant ist auch das alte Kino im obersten Stockwerk, das wirkt, als stamme es direkt aus einem Wes-Anderson-Film. In den USA ist das IDB in Boston mein Favorit, weil es so vielfältig genutzt wird: Design-Showrooms, die sich gegenseitig Impulse geben, und ein lebendiger Austausch zwischen den Mieterinnen und Mietern.
Was möchten Sie noch hervorheben?
Wichtig ist mir, dass Innovation und Nachhaltigkeit bei Jamestown nicht an ein einzelnes Team gebunden sind, sondern Teil der Unternehmenskultur sind. Viele Ideen entstehen direkt in den Projekten: Die Parkanlage im Groot Handelsgebouw in Rotterdam war die Initiative des lokalen Assetmanagement-Teams, der Holzbau 619 Ponce entstand durch das dortige Team, und auch die Net-Zero-Strategie für das Levi’s Plaza kam direkt von den Verantwortlichen vor Ort. Unsere Aufgabe ist es, solche Initiativen sichtbar zu machen, zu unterstützen und weiterzutragen.